„Zum Sonnenstein“

Die Landdiskothek im Museumsdorf Cloppenburg lädt zur Zeitreise ein

Kenner nannten ihn kurz den „Stein“ – ab heute ist der le­gen­däre Ort wie­der ge­öff­net. Mitsamt sei­ner Sound­an­la­ge, der be­leuch­te­ten Tanz­flä­che, der Bar und der schil­lern­den Deko wur­de die ge­sam­te Dis­ko­thek von Harp­stedt ins Mu­seums­dorf Clop­pen­burg ver­setzt und ori­gi­nal­ge­treu wie­der auf­ge­baut.

19. Juli 2021

Dr. Julia Schulte to Bühne bei der Eröffnung
Bild: Dr. Julia Schulte to Bühne bei der Er­öff­nung, Foto: Museumsdorf
„Es ist alles so wie es da­mals war“, freut sich Mu­seums­lei­te­rin Julia Schulte to Bühne beim Er­öff­nungs­fest. Alle Be­tei­lig­ten, die an der Ver­set­zung des Ge­bäu­des mit­samt dem In­nen­le­ben mit­ge­wirkt haben, wur­den bei dem Fest­akt ge­wür­digt. Allen voran das Ehe­paar Gunda und Klaus Sengstake, die den „Son­nen­stein“ über Jahr­zehn­te hin­weg ge­führt haben. 1973, in einer Zeit, in der DJs mit mo­bi­len Mu­sik­an­la­gen durch die Land­gast­stät­ten tin­gel­ten, haben sie ihren Gast­hof in eine feste Dis­ko­thek um­ge­wandelt.
Ehepaar Sengstake
Bild: Ehepaar Sengstake mit Mode­ra­tor Dirk Böhling, Foto: Museumsdorf
Die vier Disc­jockeys des „Steins“ ga­ben einen mu­si­ka­li­schen Rück­blick: Hans Freitag leg­te auf, als „Daddy Cool“ von Boney M. an­ge­sagt war. Volker Kubainsky, alias DJ Coco, erin­nert sich gut an das Al­bum „Thril­ler“ von Michael Jackson: „Zu mei­ner Zeit war das der Wahn­sinn. Ich konn­te das kom­plet­te Album durch­lau­fen las­sen und in Ruhe einen Pernod-Cola trinken.“ Uwe Geppert und Jürgen Langhorst lös­ten die bei­den am Plat­ten­tel­ler mit Wave oder Gothic ab.
Ansicht Theke
Bild: Ansicht Theke, Foto: Museumsdorf
Dass die mu­sea­li­sier­te Disko so le­ben­dig wirkt, liegt auch an der authen­ti­schen „Ge­räusch­ku­lis­se“. Ver­ant­wort­lich dafür ist die Klang­ex­per­tin Stefanie Hoppe-Fuchs, Ge­schäfts­füh­re­rin von Klangerfinder. Sie hat über­lie­fer­te Ge­räu­sche ein­ge­fan­gen, her­ge­stellt und so plat­ziert, dass sie den Gäs­ten das Ge­fühl einer Zeit­reise ver­mit­teln. Über­dies fin­den Be­sucher an ver­schie­de­nen Stel­len auch Hör­sta­tio­nen mit ty­pi­schen Disko­ge­sprä­chen. „Was fehlt“, scherz­te Björn Thümler, Mi­nis­ter für Wis­sen­schaft und Kultur, „sind der Bier­ge­ruch und die Kle­brig­keit des Fuß­bo­dens, doch das lässt viel­leicht noch herstellen.“
Innenansicht Tanzfläche
Bild: Innen­an­sicht Tanz­fläche, Foto: Museumsdorf
Der Wieder­auf­bau der Land­dis­ko­thek ist zu­gleich der An­fang eines neuen Bau­ab­schnitts, mit dem das Mu­seum sein Spek­trum um Ge­bäu­de der Nach­kriegs­zeit er­wei­tern will. Mit dem neuen Ab­schnitt wer­den ins­be­son­de­re die As­pek­te Frei­zeit, Kon­sum und Mo­bi­li­tät be­han­delt. Für das Kon­zept ist das Ge­bäu­de ein Ge­winn, da der „Stein“ das jün­ge­re Pu­bli­kum an­spricht. Viele der Be­sucher wer­den sagen kön­nen: „Als Papa noch jung war, hat er hier ge­tanzt“. Björn Thümler sieht den Start als ge­lun­gen an: „Ich bin hoff­nungs­voll ge­stimmt, weil damit jetzt die Zeit nach dem Zwei­ten Welt­krieg wei­ter­geht. Die Disko­thek ist für ein sol­ches Mu­seums­dorf wirk­lich bei­spiel­ge­bend, weil es in ganz Deutsch­land nichts Ver­gleich­bares gibt.“

Für die Gäste, die den „Stein“ selbst be­sucht haben, wird sich das Disko­ge­fühl wie­der­ein­stel­len, für alle an­de­ren soll es eine span­nen­de Ent­deckung der Blüte­zeit der Land­dis­ko­the­ken sein. „Wenn es uns ge­lingt, die Men­schen zu be­we­gen – und das im dop­pel­ten Wort­sinn – wäre das toll“, so Schulte to Bühne.
Julia Schulte to Bühne, Ehepaar Sengstake, Björn Thümler
Bild: Julia Schulte to Bühne, Ehepaar Sengstake, Björn Thümler, Foto: Museumsdorf
Im Ober­ge­schoß des „Sonnensteins“ wird eine Dauer­aus­stel­lung die Ge­schich­te des Ge­bäu­des ver­an­schau­lichen. Be­reits1874 wur­de das Ge­bäu­de vom Gast­wirt Friedrich Thöle auf dem Schüt­zen­platz bei Harp­stedt er­rich­tet und von Be­ginn an auch für Tanz­fes­te ge­nutzt. 1952 wech­sel­te das Haus den Be­sit­zer: Johann Hasselmann be­nann­te sein Aus­flugs­lo­kal „Zum Sonnenstein“. Namens­ge­ber war ein Find­ling, der sich neben­an auf dem Schüt­zen­platz be­fand und sich durch seine Kenn­zeich­nung von 12 kon­zen­tri­schen Krei­sen ver­mut­lich als vor­zeit­licher Son­nen­stein iden­ti­fi­zie­ren lässt. Hasselmann ließ schon in den 1960er Jahren, zur Zeit der Beat-Welle, Live­bands auf­tre­ten. An­fang der 1970 wan­del­te sich der Trend von Live-Ka­pel­len zu ers­ten Auf­trit­ten von DJs an den Plat­ten­tel­lern. 1973 ver­pach­te­te Hasselmann den „Sonnenstein“ an Klaus Sengstake. Die­ser er­setz­te die Bühne durch eine DJ-Kabine. Damit war das künf­ti­ge Pro­gramm ge­setzt. Wie im Film „Saturday Night Fever“ kam bald eine be­leuch­te­te Tanz­flä­che hin­zu. Nach 35 Jah­ren, 2008, gab das Ehe­paar Sengstake den Betrieb auf. An­schlie­ßen­den Päch­tern ge­lang es jedoch nicht, die Disko wirt­schaft­lich auf­recht­zu­er­hal­ten. Als 2014 der Ab­riss droh­te, er­warb das Mu­seums­dorf den „Stein“ als ers­tes Ge­bäu­de der neu­ge­plan­ten Sied­lung zur Nach­kriegs­zeit. 2016 star­te­ten die Vor­be­rei­tun­gen für die Ver­set­zung des Ge­bäu­des, die in der Fach­spra­che als „Trans­lo­zie­rung“ be­zeich­net wird. 2018 wurde das Ge­bäu­de in acht Teile zer­sägt und auf Tief­la­dern nach Clop­pen­burg gebracht.
Tieflader wird beladen
Bild: 2018 - Tieflader wird be­la­den, Foto: Sandra Witte
Der beglei­ten­de Ka­ta­log trägt den Titel „Charly für ´ne Mark“. Ab­ge­lei­tet von der Marke Scharlachberg, ist der „Charly“ eine Cola-Wein­brand-Mischung. Im Olden­bur­ger Raum war es ein weit ver­brei­te­tes Party­ge­tränk, vor­zugs­weise mit Springer Urvater und Cola gemixt.

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel ist Pro­jekt­lei­te­rin für kul­tur­his­to­rische Ver­mark­tung bei der Re­si­denz­ort Rastede GmbH.

Mail an "Wir sind Nähe"

Infothek

Museumsdorf Cloppenburg

Niedersächsisches Frei­licht­mu­seum
Bether Straße 6
49661 Cloppenburg
Tel. 04471 / 9484-0
E-Mail info@museumsdorf.de

Öffnungszeiten:

März – Oktober: Montag bis Sonntag 10 – 18 Uhr
November – Februar: Samstag und Sonntag 10 – 16.30 Uhr

Eintritt

Erwachsene 9,50 € (ermäßigt 6 €)
Kinder und Jugendliche (6–18 Jahre) 3,50 €

Familien-Tages­karte 20 €
Kleine Familien-Tages­karte (1 Erw. u. Kinder) 11 €

Weitere Informationen unter https://museumsdorf.de/

Begleitend zur Er­öff­nung er­scheint die rund 200 Sei­ten star­ke und reich be­bil­der­te Pu­bli­ka­tion „Charly für `ne Mark“ mit Bei­trä­gen über die Tanz­ge­schich­te am Harp­sted­ter Schüt­zen­platz, Disko­the­ken ent­lang der Bun­des­straße B 213, die Ver­set­zung des Ge­bäu­des und die Be­trei­ber Klaus und Gunda Sengstake (25,- Euro).

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel ist als freie Kultur- und Kunst­wis­sen­schaft­le­rin tätig.

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