• Elementarschutz für Wohngebäude

    Wohngebäude­ver­siche­rung künf­tig nur noch mit Ele­men­tar­schutz?

Interview mit Vor­­stands­­mit­­glied Ralf Kunze.

15. Dezember 2021

Ralf Kunze
Ralf Kunze, Foto: Stephan Meyer-Bergfeld
Öffentliche Oldenburg: Drei Monate nach der Flut­ka­tas­tro­phe im Ahr­tal le­gen die deut­schen Ver­siche­rer kon­kre­te Vor­schlä­ge für ein neues Ge­samt­kon­zept zur Klima­fol­gen­an­pas­sung vor. Hier­zu wird auch darüber dis­ku­tiert, ob es zu­künf­tig nur noch Wohn­ge­bäu­de­ver­siche­run­gen geben soll, die auch er­wei­terte Natur­ge­fah­ren wie Hoch­was­ser und Stark­re­gen ab­decken. Was hal­ten Sie von der Idee?

Ralf Kunze: Ich be­grü­ße es zu­nächst sehr, dass – auch wenn die­ses schreck­liche Er­eig­nis der Aus­lö­ser war – jetzt ein Pro­zess an­ge­sto­ßen wur­de, um ge­mein­schaft­lich Lö­sungs­an­sät­ze zu er­ar­bei­ten. Dabei fin­de ich essen­tiell, dass man eine aus­ge­wo­ge­ne Ba­lan­ce zwi­schen dem wirt­schaft­lichen Han­deln und auch der Da­seins­vor­sor­ge schafft. Grund­sätz­lich ist für uns als Unter­neh­men schon spür­bar, dass auch un­se­re Kun­den sen­si­bler auf das Thema Ele­men­tar­ver­siche­rung rea­gie­ren und Lö­sun­gen er­war­ten. Eine flächen­decken­de um­fang­rei­che Ab­siche­rung wäre vor­stell­bar unter der Vor­aus­set­zung, dass es ri­si­ko­ge­rech­te Prä­mien gibt. Es sind ja be­reits heute 99% aller Risiken gegen Elementargefahren versicherbar. Wir haben natür­lich auch ein In­te­res­se daran, dass dieses theo­re­tische Po­ten­tial in der Pra­xis um­ge­setzt werden kann

Öffentliche Oldenburg: Auch wenn die je­wei­li­gen Kun­den in Ge­bie­ten leben, in denen Hoch­was­ser und Stark­re­gen sta­tis­tisch eher sel­te­ner vor­kommen?

Ralf Kunze: Starkregen und auch Hoch­was­ser sind die Haupt­ri­si­ken. Die Frage ist aber eher: Ken­nen Sie den Weg des Was­sers bis zum Risiko­ort? Das ist näm­lich ganz ent­schei­dend. Es gibt ja nicht sel­ten das Phä­no­men, dass ein Fluss über­läuft und drei Kilo­me­ter wei­ter lau­fen noch die Kel­ler voll. Auch die ein­zel­nen Stark­re­gen­er­eig­nis­se haben unter­schied­liche Qua­li­tä­ten. Aus­schlag­ge­bend ist auch die To­po­gra­phie: Wo woh­nen Sie? Eher hüge­lig oder ber­gig, in einem Tal oder auf einer Kup­pe oder im nord­deut­schen Flach­land? Wie ist die Infra­struk­tur ihres Wohn­or­tes? Denn es wäre viel zu kurz ge­dacht, wenn man Hoch­was­ser und Stark­re­gen nur in Re­gio­nen ver­or­tet, die hüge­lig oder ber­gig sind oder sich in un­mit­tel­ba­rer Fluss­nähe be­fin­den. Fakt ist, es kann über­all ge­fähr­lichen Stark­re­gen geben, davor ist man nir­gend­wo gänz­lich ge­schützt. Ich habe es selbst er­lebt. Anfang Juni war ich in Rastede und habe von mei­nem Auto aus beo­bach­tet, wie es in Se­kun­den­schnel­le 15-20 cm Hoch­was­ser geben kann und die Stra­ßen und an­gren­zen­den Häu­ser blitz­ar­tig über­schwemmt waren.
Öffentliche Oldenburg: Der GDV schlägt zudem vor, den Ver­siche­rungs­schutz für die rund 17 Mil­lio­nen pri­va­ten Haus­ei­gen­tü­mer mit be­ste­hen­den Wohn­ge­bäu­de­ver­trä­gen mittels ge­setz­licher Re­ge­lung um den Ele­men­tar­schutz-Bau­stein zu er­gän­zen. Halten Sie die Um­set­zung für rea­lis­tisch?
Ralf Kunze: Wenn das Ziel ist, dass jeder Haus­be­sit­zer vor Ele­men­tar­ge­fah­ren – zu­min­dest mate­riell – ge­schützt wer­den soll, ist das sicher­lich ein mög­licher Weg. In der Pra­xis ist das aller­dings immer mit ei­ni­gen Hür­den ver­bun­den. Für eine kon­kre­te Be­wer­tung und Ein­stu­fung der Ge­fähr­dungs­klas­se sind auch wei­te­re Über­le­gun­gen er­for­der­lich. Bei­spiels­wei­se eine ein­heit­liche Be­wer­tung der Ri­si­ken. Die ein­zel­nen Ge­fah­ren Feuer, Lei­tungs­was­ser und Sturm/Hagel kön­nen ja theo­re­tisch alle bei einem an­de­ren Ver­siche­rer ab­ge­sichert sein. Wo sie­deln wir da die Ele­men­tar­ver­siche­rung an?
Öffentliche Oldenburg: Die Prä­mien­höhe rich­tet sich nach der Ge­fähr­dung des Ge­bäu­des durch Ele­men­tar­ge­fah­ren. Für be­son­ders ge­fähr­de­te Ge­bäu­de soll es Aus­schlüs­se oder hö­he­re Selbst­be­tei­li­gun­gen geben, ist das nicht unfair?
Ralf Kunze: Das sehe ich nur be­dingt so. Denn nur eine ri­si­ko­ge­rech­te Tari­fie­rung stellt auf Dauer sicher, dass der Ver­siche­rungs­schutz auch für die brei­te Mas­se be­zahl­bar bleibt. Aus heu­ti­ger Sicht ist es noch zu früh über kon­kre­te Grund­la­gen einer Ele­men­tar­pflicht­ver­sicherung zu dis­ku­tie­ren. Klar ist aber schon zum jet­zi­gen Zeit­punkt, dass le­dig­lich 1% aller Ri­si­ken für den Groß­teil aller po­ten­tiel­len Schä­den ste­hen. Denn die Ein­tritts­wahr­schein­lich­keit, dass Schä­den pas­sie­ren, ist eben­so unter­schied­lich wie das po­ten­tiel­le Scha­den­aus­maß. Ein­fach er­klärt: Für ein Haus, welches kal­ku­la­to­risch alle 10 Jah­re einen gro­ßen Scha­den von 100.000 EUR er­lei­det, liegt die Be­darfs­prä­mie für den Ver­siche­rungs­schutz bei 10.000 EUR. Wenn das gleiche Haus an einem an­de­ren Stand­ort einem ge­rin­ge­ren Scha­den­po­ten­tial von 50.000 EUR alle 1000 Jahre aus­ge­setzt ist, so liegt die Be­darfs­prä­mie nur bei 50 EUR. Dieses Sze­na­rio ver­deut­licht das Grund­pro­blem für eine ri­si­ko­ge­rech­te Prä­mie. Aber ich muss dazu sagen, dass es na­tür­lich noch viele an­de­re As­pek­te gibt, die im Ein­zel­nen be­trach­tet wer­den müs­sen, wie z.B. Alter und Bau­subs­tanz eines Ge­bäu­des usw.
Öffentliche Oldenburg: Zugleich for­dert die Ver­siche­rungs­wirt­schaft ein nach­hal­ti­ges Um­steuern per Ge­setz, etwa durch klare Bau­ver­bo­te in hoch­was­ser­ge­fähr­de­ten Ge­bie­ten. Wie ste­hen Sie dazu?
Ralf Kunze: Es kann nur Hand in Hand gehen. Ein sinn­vol­ler Ver­siche­rungs­schutz kann nur für „siche­re“ Bau­ge­bie­te aus­ge­wie­sen wer­den. Dann auch nur, wenn alle Be­tei­lig­ten ihren Auf­ga­ben nach­kom­men. Das heißt zum Bei­spiel Hoch­was­ser­schutz oder die Ver­mei­dung von über­mä­ßi­ger Flächen­ver­sie­ge­lung an kri­ti­schen Stel­len uvm. Hier ist die Ver­siche­rungs­bran­che auch nur eine von vie­len Ak­teu­ren. Ein wich­ti­ger As­pekt ist auch die in­di­vi­duel­le Ein­stel­lung dazu. Der Schutz des Eigen­tums und die Ab­siche­rung der Ri­si­ken liegt auch immer ein Stück weit in der Hand des Ein­zel­nen. Wer also be­wusst am Fluss ein Haus baut, muss sich auch über Ri­si­ken und mög­liche Ge­fah­ren be­wusst sein.
Öffentliche Oldenburg: Welche Ri­si­ken sehen Sie darüber hin­aus in Be­zug auf den Klima­wan­del für die Bran­che noch?
Ralf Kunze: Die Zu­nah­me von Natur­ge­fah­ren wie Stür­men, Stark­re­gen oder Hoch­was­ser von Flüs­sen. Das wird sicher­lich in den nächs­ten Jahr­zehn­ten durch den Klima­wan­del noch mehr be­schleu­nigt. Daher fin­de ich es um­so wich­ti­ger, dass wir in allen Be­rei­chen unser nach­hal­ti­ges Han­deln stär­ker in den Fokus stel­len als in der Ver­gan­gen­heit. Beim GDV gibt es dazu auch eine gute Ini­tia­tive – Stich­wort Sustainability Reporting Directive (CSRD)-Bericht. Unsere Wirt­schaft und Ge­sell­schaft wer­den immer mehr durch Nach­hal­tig­keit und Klima­schutz be­stimmt. Auch die Ver­siche­rungs­bran­che leistet einen Bei­trag, um die am­bi­tio­nier­ten Zie­le zu er­rei­chen. Dazu zäh­len: die Klima­neu­tra­li­tät der Ka­pi­tal­an­la­gen, ein ver­ant­wor­tungs­vol­ler Um­gang mit Res­sour­cen und die För­de­rung von Viel­falt in der Unter­neh­mens­füh­rung. Ich halte das für richtig und gut.

Autorin

Pia Marie Wenholz

Pia Marie Wenholz

Pia Marie Wenholz ist Mit­­a­r­bei­­te­­rin der Öffent­lichen Olden­burg. Sie ist ver­ant­wort­lich für den Be­reich Pres­se und Kommu­ni­ka­tion.

Mail an "Wir sind Nähe"

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