Von Oldenburg in die Welt. 150 Jahre Ansichtskarte

Neue Ausstellung im Stadtmuseum

Wir kennen sie alle: die Bild­post­kar­te. 1870 wur­de sie von dem Olden­bur­ger August Schwartz er­fun­den. Schwartz war Drucker, Buch­händ­ler und Ver­le­ger der Schulzeschen Hof­buch­drucke­rei, dem da­mals größ­ten Ver­lag des ge­sam­ten Her­zog­tums. Auf eine Post­kar­te, die Schwartz am 16. Juli 1870 an seine Schwie­ger­el­tern nach Magde­burg schickte, druckte er das Bild eines Ka­no­niers. Diese Kar­te gilt als äl­tes­te deut­sche be­bil­der­te Post­kar­te. Damit war die Idee ge­bo­ren, die nüch­ter­ne „Corres­pon­denz-Karte“, die für kurze Text­nach­rich­ten ge­dacht war, mit einer Illus­tra­tion zu de­ko­rieren.

16. Dezember 2020

Correspondenz-Karte August Schwartz
Correspondenz-Karte die August Schwartz 1870 versendete, oben links der Kanonier
Diese „Corres­pon­denz-Karte“ war zu je­nem Zeitpunkt gerade erst ent­wickelt wor­den. Sie hat vie­le Vä­ter. 1865 schlug der Frank­fur­ter Post­beam­te Heinrich von Stephan der Be­hör­de ein „of­fe­nes Post­blatt“ als ein­fache und kos­ten­güns­ti­ge Al­ter­na­ti­ve zum Brief vor. Die Ver­ant­wort­lichen fürch­te­ten je­doch um das Brief­ge­heim­nis und die Wah­rung der guten Sit­ten, wenn jeg­liche Kor­res­pon­denz nun öffent­lich les­bar wäre. Sie lehn­ten von Stephans An­lie­gen ab. 1968 haben zwei Leip­zi­ger Händ­ler einen wei­te­ren An­lauf unter­nom­men und stell­ten den Post­be­hör­den die Mus­ter von vor­ge­druck­ten „Cor­res­pon­denz-Karten“ vor. Dass die­se Mit­tei­lungs­form den Nerv der Zeit traf, er­kann­te zu­erst die öster­rei­chisch-un­ga­ri­sche Post­ver­wal­tung. Sie brach­te die Kar­te 1969 her­aus und ver­kauf­te sie  schon in den ers­ten Mo­na­ten mil­lio­nen­fach. Der Nord­deut­sche Post­ver­ein zog 1870 nach und so konn­te auch Heinrich von Stephan, nun­mehr Ge­ne­ral­post­di­rek­tor, sein Vor­ha­ben end­lich um­set­zen.
Künstlerpostkarte mit ausklappbarer Bilderfolge
Künstlerpostkarte mit ausklappbarer Bilderfolge, Chromolithografie und Collage, um 1900
Anfangs war die Vor­der­seite aus­schließ­lich für Adresse und Brief­mar­ke re­ser­viert und die blan­ke Rück­sei­te konn­te be­schrie­ben wer­den. Dann ka­men August Schwartz und an­de­re ver­sier­te Ver­le­ger da­rauf, die Kar­ten mit Bil­dern noch at­trak­ti­ver zu machen. Sie be­druck­ten zu­nächst die An­schrif­ten­sei­te der Post­kar­te. Immer mehr unter­schied­lich ge­stal­te­te Kar­ten kamen auf den Markt und auch tou­ris­ti­sche Mo­ti­ve lie­ßen nicht lan­ge auf sich war­ten. Mit der wach­sen­den Mo­bi­li­tät durch die Eisen­bahn wur­den ty­pi­sche Se­hens­wür­dig­kei­ten ab­ge­bil­det. Weil die Les­bar­keit der An­schrift je­doch nicht be­ein­träch­tigt wer­den durf­te, war die Grö­ße des Bil­des auf der Adress­sei­te be­grenzt. Für ganz­sei­ti­ge Ab­bil­dun­gen konn­te also nur die Mit­tei­lungs­seite der Kar­te die­nen, die für den Text vor­ge­se­hen war. So kam es 1905 zur Tei­lung der Vor­der­seite, wie sie heute noch ge­druckt wird: Die rech­te Hälf­te dient der Adres­se, die linke der Nach­richt. Die The­men, die eben­falls bis heute üb­lich sind, waren schnell ge­fun­den. Es gab Gruß- und Glück­wunsch­kar­ten, Dar­stel­lun­gen von Städ­ten und Land­schaf­ten, Ver­gnü­gungs­or­ten oder Brauch­tum, Mo­ti­ve für Lie­ben­de sowie po­li­ti­sche oder Scherz­bot­schaf­ten. Hübsch aus­ge­klü­gelt sind ei­ni­ge Künst­ler­post­kar­ten, die Fi­gu­ren mit Taschen oder Kof­fern zei­gen, in denen sich ein aus­klapp­ba­res Lepo­rello ver­birgt. Die Bot­schaft dazu lautet „Grüss Gott, bald ich bin ich wie­der da! Und brin­ge mit viel schö­ne Sachen! Willst seh´n Du Alles was ich sah, brauchst nur den Ruck­sack auf­zu­machen!“
Postgebäude Oldenburg
Postgebäude Oldenburg, Ansichtskarte um 1903
Ob in der Frei­zeit oder im All­tag wur­de die Kar­te von der ge­sam­ten Be­völ­ke­rung zum ein­fachen und raschen In­for­ma­tions­aus­tausch ge­nutzt.Sie war auch taug­lich für all die­je­ni­gen, die im For­mu­lie­ren von Brie­fen wenig ge­übt waren oder auf Rei­sen schlicht kei­ne Zeit zum Schrei­ben hatten. Nichts konnte die Ein­drücke schnel­ler wie­der­ge­ben als das Bild. Mit dem Boom der Kar­te um 1900 wurde die Post zum Er­folgs­unter­neh­men. Die­ses Selbst­ver­ständ­nis be­zeugt das kai­ser­liche Post­ge­bäu­de, das 1902 er­baut wurde. „Das ist die Kom­mu­ni­ka­tion eines Groß­un­ter­neh­mens, das Apple in der Di­men­sion nicht un­ähn­lich ist“, er­läu­tert Hedwig Vavra-Sibum, Ku­ra­to­rin der Aus­stel­lung. Mit­tels der Post­kar­te wurde die An­sicht des re­prä­sen­ta­ti­ven Pracht­baus in die gan­ze Welt hin­aus ge­tra­gen. Auch Cafés oder Aus­flugs­lo­ka­le nutz­ten das Me­dium für das ei­ge­ne Marke­ting.
Gruß vom Oldenburger Kramermarkt
Gruß vom Oldenburger Kramermarkt, Chromolithografie, um 1899
Ohne die mo­der­nen Druck­tech­ni­ken, die in der Aus­stel­lung auch vor­ge­stellt wer­den, wäre die Ent­wick­lung der Post­kar­te aller­dings nicht mög­lich ge­we­sen. Vor allem Farb­bil­der waren da­mals noch un­üb­lich und er­freu­ten sich gro­ßer Be­liebt­heit. In bür­ger­lichen Krei­sen wur­de das neue Kom­mu­ni­ka­tions­mit­tel ein be­gehr­tes Samm­lungs­ob­jekt, für das kost­ba­re Al­ben her­ge­stellt wur­den. Ein sol­ches zu be­sit­zen, ge­hör­te zum guten Ton, ver­mit­tel­te es doch zu­gleich, wie be­liebt der Em­pfän­ger ist. In­zwi­schen haben die An­sichts­kar­ten einen viel­mehr do­ku­men­ta­ri­schen Wert, denn sie zei­gen, wie Orte einst aus­ge­se­hen haben, wel­che kul­tu­rel­len Ge­pflo­gen­hei­ten oder gra­fi­schen Ge­stal­tungs­mit­tel üb­lich waren. Aus die­sen In­te­res­sen ist ein ganz ei­ge­ner Samm­ler­markt ge­wach­sen.
Nordseebad Dangast mit Kurhaus
Nordseebad Dangast mit Kurhaus, um 1900, Sammlung Karl-Heinz Martinss
Im Moment ist lei­der an­zu­neh­men, dass die Aus­stel­lung für Be­sucher un­sicht­bar blei­ben wird. Im März schließt das Stadt­mu­seum wegen des Um­baus. Hedwig Vavra-Sibum wünscht sich, eine zwei­te Sta­tion für die Schau zu fin­den. Bis dahin könn­ten wir zu­hau­se die ei­ge­ne Kar­ten-Kiste aus­bud­deln oder die El­tern und Groß­el­tern nach ihren al­ten Kar­ten fra­gen.

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel ist Pro­jekt­lei­te­rin für kul­tur­his­to­rische Ver­mark­tung bei der Re­si­denz­ort Rastede GmbH.

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Von Oldenburg in die Welt. 150 Jahre An­sichts­karte

Die Sonder­aus­stel­lung im Olden­bur­ger Stadt­museum läuft noch bis zum 31. Januar 2021. Mehr darüber unter https://www.stadtmuseum-oldenburg.de/austellungen/sonderausstellungen

Auf Grund­la­ge der von Bund und Län­dern be­schlos­se­nen Maß­nah­men zur Ein­däm­mung der Corona-Pan­de­mie bleibt das Mu­seum auch im De­zem­ber ge­schlos­sen. Hin­wei­se zu Öff­nungs­zei­ten ab Ja­nuar sind der Ta­ges­pres­se zu ent­neh­men.

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel ist als freie Kultur- und Kunst­wis­sen­schaft­le­rin tätig.

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