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James Newitt im Edith-Russ-Haus für Medienkunst
Das Edith-Russ-Haus präsentiert die erste Solo-Ausstellung des tasmanischen Künstlers James Newitt in Deutschland. Im vergangenen Jahr war er Medienkunst-Stipendiat der Stiftung Niedersachsen am Edith-Russ-Haus. Das zentrale Werk der Ausstellung ist die Auftragsarbeit „Haven“.
25. April 2023
Am 2. September 1967 besetzte Patrick Roy Bates, ein ehemaliger Major der British Army, einen verlassenen Wehrturm, der knapp 10km von der britischen Küste entfernt in der Nordsee liegt. Die Familie Bates erklärte das Territorium zu ihrem Eigentum und seitdem existiert es als unabhängiges, jedoch international nicht anerkanntes Staatsgebiet unter dem Namen „Sealand“. Zunächst wollte die Familie von dem Turm aus einen Hörfunk-Piratensender betreiben, doch dazu kam es nicht. Stattdessen arbeitete sie Anfang der 2000er Jahre mit zwei Cyber-Libertären zusammen, um den ersten Datenhafen der Welt zu gründen. Dieser sollte der einzige Ort auf der Welt sein, an dem Informationen wirklich sicher seien. Bis zum Jahr 2008 bot die Firma Sealand als elektronischer Datenhafen sicheres Datenhosting an. Danach stellte die Firma ohne Angabe von Gründen den Betrieb ein.
Die großformatige 3-Kanal-Videoinstallation aus dem Jahr 2023 beschäftigt sich mit dieser bizarren Geschichte eines Reliktes aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Künstler und Filmemacher Newitt spekuliert dabei über das Zerwürfnis zwischen der Familie Bates und den Gründern des Datenhafens und nutzt dafür Material, wie Archivfilme und Animationstechnik. So gelingt es ihm eine poetische Neufassung dieser von Menschen geschaffenen Insel zu entwerfen, die die klaustrophobische Familienstruktur mit der Naturgewalt des Meeres verbindet und zu einem bedrückenden Erlebnis werden lässt. Das vorgefundene Material bearbeitete der gebürtige Australier sorgfältig und schrieb es so um, dass es zu einer fiktiven Geschichte wurde. Dabei entstanden Gespräche mit dem Gründer von HavenCo, Ryan Donald Lackey, aber auch mit der Frau von Roy Bates, Joan, die von dem Leben in dem verlassenen Wehrturm und dem Älterwerden ihres Mannes berichtet.
James Newitt beschäftigte sich mit verwandten Themen bereits in früheren Arbeiten, von denen einige ebenfalls in der Ausstellung „James Newitt: From above, an island“ bis zum 11. Juni 2023 zu sehen sind. Dieses wiederkehrende Interesse an sogenannten Mikrostaaten beruht auf der Faszination durch die widersprüchliche, existentielle Situation eines Inselbewohners, der die verlassene Insel zugleich als Rückzugsort aus der Gesellschaft und als eine Form der Eroberung wahrnimmt.
Oberes Bild: Haven. Filmstill, 2023, Foto: James Newitt