-
Gelungene Restitution
Emil Noldes 'Ernteszene' kehrt nach 86 Jahren nach Oldenburg zurück
1937 fiel es der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ zum Opfer, nun kehrt das großformatige Aquarell "Ernteszene" (1907) von Emil Nolde nach 86 Jahren ins Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg zurück. Ein Meisterwerk, das nicht nur die Getreideernte auf der Ostseeinsel Alsen zeigt, sondern auch eine Zeitreise durch die Wirren der deutschen Geschichte ermöglicht.
2. Januar 2024
Emil Nolde (1867-1956) zählte als Vertreter des norddeutschen Expressionismus zu den bedeutendsten Künstlern der Modernen Galerie im Oldenburger Schloss. Doch die Schrecken der NS-Zeit sollten seinen Beitrag zur Kunstgeschichte fast auslöschen. Alle bis 1933 für Oldenburg erworbenen Gemälde und Aquarelle gingen durch die Aktion „Entartete Kunst“ verloren. Die "Ernteszene" wurde im August 1937 beschlagnahmt und mit zahlreichen anderen Werken vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda eingelagert. In der nationalsozialistischen Ideologie galt Kunst als "entartet", wenn sie nicht den Grundsätzen der so genannten "Deutschen Kunst" entsprach. Expressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Kubismus oder Fauvismus waren ebenso verpönt wie Werke von Künstlern jüdischer Herkunft. Diese kulturelle Unterdrückung führte dazu, dass Hunderte von Kunstwerken, darunter auch die "Ernteszene", aus den Museen entfernt wurden.
Im Dezember 1940 erwarb der Hamburger Kunsthändler Hildebrand Gurlitt das Aquarell. Es verschwand für Jahrzehnte aus der öffentlichen Wahrnehmung, bis es im Juni 2023 im Katalog der Auktion 317 "Moderne Kunst" bei Karl & Faber in München wieder auftauchte. Mit der eindeutigen Identifizierung als das einst in Oldenburg beschlagnahmte Blatt begann ein bemerkenswerter Restitutionsprozess. Von den 103 Kunstwerken aus der Sammlung des Landesmuseums, die 1937 beschlagnahmt worden waren, konnten bisher sechs zurückgegeben werden. Museumsdirektor Prof. Dr. Rainer Stamm betont die Bedeutung dieser Rückerwerbungen: „Der Rückerwerb von 1937 beschlagnahmten Werken ist ein wichtiger Teil unseres Sammlungskonzepts. Mit dem Ankauf des Aquarells kehrt ein bedeutendes Werk Noldes in unseren Bestand zurück, das seinerzeit den Aufbruch des Museums in die Moderne symbolisierte. Ich bin froh und allen Beteiligten dankbar, dass es gelungen ist, mit dem Rückerwerb im 100. Jubiläumsjahr an diesen bedeutungsvollen Aufbruch zu erinnern.“
Anlässlich der Rückgabe wird die "Ernteszene" gemeinsam mit den anderen 1937 beschlagnahmten Werken im Prinzenpalais präsentiert. Ermöglicht wurde der Ankauf durch die großzügige Unterstützung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Stiftung. Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, unterstreicht die emotionale Dimension des Ereignisses: „Die Rückkehr eines verloren geglaubten Kunstwerks ist immer ein bewegendes Ereignis. Das gilt besonders bewegendes Ereignis. Das gilt besonders für solche Werke, deren Verschwinden Folge der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft war“ Mohrs betont die Ambivalenz, mit der wir heute auf Künstler wie Emil Nolde blicken und unterstreicht die Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit ihrer Kunst.
Oberes Bild: v. l. n. r. Prof. Dr. Rainer Stamm, Chizuru Kahl, Dr. Stephanie Tasch, Minister Falko Mohrs, Foto: Sven Adelaide