LIEBE im Fokus

Das Stück führt die all­seits be­kann­ten Comic-Held*innen Popeye und Olivia ein, je­doch mit einer be­mer­kens­wer­ten Wen­dung: Die bis­he­ri­ge Neben­figur Olivia wird zur Pro­ta­go­nis­tin und nimmt scho­nungs­los und prä­zi­se eine Liebe unter die Lupe, die von tra­di­tio­nel­len Rol­len­bil­dern und Macht­­ver­hält­nis­sen durch­zo­gen ist. In die­ser ta­bu­lo­sen Ins­ze­nie­rung wird das weib­liche Selbst­ver­ständ­nis auf hu­mor­volle Weise be­leuch­tet.

Im Mittelpunkt steht die un­ab­hän­gi­ge, starke und in­tel­li­gen­te Frau Olivia Öl. Ihre Be­geg­nung mit dem Ma­tro­sen Popeye, der sie mit sei­nem rauen Char­me fas­zi­niert, führt zu einer kom­ple­xen Lie­be, die von An­zie­hung, aber auch von tra­di­tio­nel­len Be­zie­hungs­vor­stel­lun­gen ge­prägt ist. Olivia setzt alles daran, dass die Be­zie­hung ge­lingt, unter­stützt Popeyes künst­le­ri­sche Pro­jek­te, auch wenn sein Dreh­buch nie über die ers­ten zwei Sei­ten hinaus­kommt. Trotz des Glücks, das sie in ihrer Part­ner­schaft em­pfin­den, tre­ten Un­gleich­ge­wich­te zu­tage. Popeye, der Mann mit der Vor­lie­be für Spinat, gibt sich nett und sanft­mü­tig, aber er liest Olivias Romane nicht und sein ei­ge­nes Spie­gel­bild scheint wich­ti­ger zu sein als Olivias Wahr­nehmung.

Sivan Ben Yishai ver­leiht der weib­lichen Neben­figur Olivia als ana­ly­ti­schem Ge­hirn des Stücks eine ein­zig­ar­ti­ge Pers­pek­tive. Durch ihre Augen sehen wir Popeye und die klas­si­sche Paar­be­zie­hung. Stim­men aus der Ver­gan­gen­heit, die Olivia er­klärt haben, wie Liebe funk­tio­niert und die ihr Selbst­bild bis heute prä­gen, wer­den hör­bar. Olivia kämpft tag­täg­lich gegen Pa­triar­chat und Dis­kri­mi­nie­rung, fühlt sich aber Popeye, dem ver­meint­lichen Vor­zeige­mann, zu­tiefst ver­pflich­tet.

Die 1978 ge­bo­re­ne Sivan Ben Yishai, die der­zeit ge­frag­tes­te zeit­ge­nös­si­sche Au­to­rin, prä­sen­tiert sich mit dem Stück als krea­ti­ve Kraft, die in ihren Wer­ken Ra­di­ka­li­tät und große Poe­sie ver­eint. Sie stu­dier­te Sze­ni­sches Schrei­ben und Thea­ter­re­gie an der Uni­ver­si­tät Tel Aviv, bevor sie 2012 nach Berlin zog, wo sie seit­her als freie Au­to­rin und Re­gis­seu­rin ar­bei­tet. 2019 ar­bei­te­te sie als Haus­au­to­rin am Na­tio­nal­thea­ter Mannheim. Ihr Stück "LIEBE / Eine ar­gu­men­ta­ti­ve Übung" wurde für den re­nom­mier­ten Mülheimer Dra­ma­ti­ker­preis 2020 no­mi­niert.

"LIEBE / Eine ar­gu­men­ta­tive Übung" ist ein ra­di­ka­les und re­vo­lu­tio­nä­res Stück, das einen kol­lek­ti­ven Sprach­kör­per er­fin­det und eine schein­bar pri­va­te Ge­schich­te auf die Bühne bringt. Die ent­lehn­ten Comic­fi­gu­ren Popeye und Olivia wer­den zu Spie­geln un­se­rer ei­ge­nen Re­fle­xio­nen über Liebe und Be­zie­hung. Sivan Ben Yishai ge­lingt dies auf vir­tuo­se, ent­lar­ven­de und höchst amü­san­te Weise, und die Auf­füh­rung ver­spricht, das Pu­bli­kum glei­cher­ma­ßen zu be­rüh­ren und zu unter­halten.